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WiSo USA: Handwerk und Auslandshandelskammern Hand in Hand in der deutsch-amerikanischen Berufsbildungszusammenarbeit

Berufliche Bildung ist ein wirksames Instrument gegen Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel und auch eine wichtige Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben. Wie sieht die berufliche Bildung in den USA aus?

In den USA gibt es wie vielerorts einen Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften. Zwar werden sowohl an High Schools als auch Colleges berufsbildende Kurse angeboten, jedoch verlassen die meisten Absolventen diese Institutionen, ohne eine gezielte berufliche Ausbildung absolviert zu haben. Diese Kurse dienen häufig dazu credit points zu sammeln, die nicht notwendigerweise zu einem berufsfachlichen Abschluss führen. Wenn eine Berufsausbildung in unserem Wortsinn durchgeführt wird, findet diese zu 90% im Unternehmen statt, das als Sponsor dieser Ausbildung auftritt und zu 10% in dem kooperierenden College. Daher fehlt der Ausbildung die Allgemeingültigkeit und das Abschlusszertifikat ist meistens nur lokal aussagefähig. Außerdem richten sich diese Apprenticeships, die der Ausbildung, wie wir sie aus Deutschland kennen, ähneln, meist an Menschen mit Berufserfahrung. Die Unterschiede zwischen Apprenticeships sind regional und lokal sehr groß und auch innerhalb einzelner Berufe gibt es keine einheitlichen Standards. Eine Ausnahme dazu stellen Berufe dar, bei denen Leben und Gesundheit von Personen auf dem Spiel stehen, wie z.B. in Pflegeberufen.

Wie ist WiSoUSA entstanden und welche Ziele werden im Rahmen des Teilprojekts der HWK Südthüringen verfolgt?

Die Kooperation der Handwerkskammer Südthüringen (HWK) mit dem Walters State Community College (WSCC) ist Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unter der Förderrichtlinie WiSoVET geförderten Projekts „WiSoUSA“. Weitere Projektpartner sind die Auslandshandelskammern Chicago, New York und Atlanta (AHKs). Mit dem Projekt soll während der Laufzeit von Juli 2021 und bis Juli 2024 ein Beitrag zur bilateralen Berufsbildungskooperation geleistet werden. In der Entstehungsphase hatte die SCIVET-Koordinierungsstelle den Kontakt zwischen dem WSCC und der HWK Südthüringen sowie den im Projekt beteiligten AHKs hergestellt und die Projektentwicklung unterstützt.

Die HWK Südthüringen arbeitet im Rahmen von WiSoUSA mit dem WSCC in Tennessee, USA, Arbeitgeberorganisationen, dem Arbeitsministerium des Bundesstaates Tennessee und der AHK Atlanta bei der Einführung von konkreten Berufsbildern in den Bereichen Sanitär, Heizung, Klima (SHK) und Fleischerei zusammen. Im Projektantrag waren ursprünglich 5 Berufsbilder angedacht, die sich aber im Laufe des Projektes auf einen Ausbildungsgang Klempnerei (Plumbing) und einen Ausbildungsgang Fleischerei konzentrierten. Die HWK Südthüringen unterstütze bei der Konzeption und Implementierung dieser Berufsbilder. Der regional und national angepassten Transfer der Konzepte Überbetriebliche Berufsbildungsstätte und Überbetriebliche Lehrunterweisung wurde in Form eines Studienbesuches im Bildungscampus der Handwerkskammer Südthüringen angeregt.

Screenshot: HWK Südthüringen

Was sind die wichtigsten bisherigen Ergebnisse des Projektes?

Das WSCC konnte bei sich die geplanten Kurse in den Bereichen Sanitär, Heizung und Klima sowie Fleischerei einführen. Die Experten der HWK Südthüringen unterstützen sowohl bei der Entwicklung der Programme als auch mit der Weiterbildung der Ausbilder.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Auslandshandelskammern in diesem Projekt? Wie profitieren HWK und AHK von der Kooperation?

Durch WiSoUSA ergab sich eine fruchtbare Zusammenarbeit mit allen im Projekt einbezogenen AHKs. Vor allem mit der AHK Chapter Pittsburgh entwickelte sich eine Kooperation außerhalb des Projektrahmens im Bereich KFZ/Hochvolttechnik. Mit der AHK Atlanta gibt es ein Pilotprojekt bezüglich einer gemeinsamen Zertifizierung des Ausbildungsganges Fleischer und eines angepassten Lehrgangs zur Ausbildung der Ausbilder. Auch die regelmäßige aktive Teilnahme an den von den AHKs organsierten Apprenticeship Conferences, an denen seit 2022 auch unser Projektpartner WSCC teilnahm, trugen zum Erfolg des Projektes in Tennessee bei. Hier konnten wir von vielen Jahren Apprenticeship-Arbeit der AHKs im Vorfeld des Projektes profitieren.

Projektteam WiSoUSA von links nach rechts: Astrid Friedrich (HWK Südthüringen), Sascha Alexander Kuhn (AHK Chicago), Matthew Allen (AHK New York), Cindy Klarwasser (AHK New York), Tobias Bolle (KIBB), Scott Schrein (AHK Atlanta), Mario Kratsch (AHK Chicago)

Welche Hürden haben Sie im Rahmen der Projektarbeit bereits bewältigt und welchen Herausforderungen sehen Sie sich noch gegenüber?

Hürden ergaben sich für unsere Projektarbeit anfänglich aus den Reisebeschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie. Reisen zwischen Europa und den USA waren anfänglich nicht möglich. In dieser Situation haben wir regelmäßige digitale Projektmeetings und eine gemeinsame digitale Plattform geschaffen, die sich im Laufe der Projektarbeit bewährt hat. Umso größer war dann immer die Freude, wenn wir persönlich reisen und die Arbeit in Präsenz fortführen konnten. Unse-re erste Apprenticeship Conference im November 2021 fiel auf den zweiten Tag nach der offiziel-len Aufhebung des travel bans, der anderthalb Jahre die Einreisen in die USA stark limitiert hatte. Wenige Wochen später wurde eine gemeinsame öffentliche Veranstaltung durchgeführt, an der sich auch Unternehmen aktiv beteiligten.

Die ursprünglich für das Frühjahr 2022 geplante Delegationsreise unserer amerikanischen Partner wurde angesichts des Kriegs in der Ukraine auch mehrmals verschoben. Aus amerikanischer Per-spektive sind die Ukraine und Südthüringen eben sehr nah beieinander. Nachdem wir dann unsere amerikanischen Projektpartner endlich im Frühjahr 2023 bei uns begrüßen durften, hat sich das Projekt weiter belebt und wir freuen uns auf eine Verstetigung der Zusammenarbeit nach Projek-tabschluss im Juli 2024 .

Eine weitere Hürde war, dass wir auf die Vorarbeit unserer Projektpartner vertrauen mussten. Die Bedarfsanalyse zu Beginn des Projektes wies eine steigende Nachfrage lokaler KMU an fünf Quali-fizierungen im Bereich SHK und Fleischerei aus, weswegen das WSCC sein Angebot um diese fünf Programme ausbauen wollte. Im Laufe der Projektarbeiten stellte sich heraus, dass die Bedarfsla-ge der lokalen Unternehmen tatsächlich vor allem im Bereich SHK etwas anders aussah, als wir ursprünglich angenommen hatten. Aus diesem Grunde fokussierte sich unsere Tätigkeit nur noch auf das Berufsbild des Klempners. Darüber hinaus weigerten sich die Auszubildenden im Bereich Fleischerei, die Schlachtung von Tieren mit in den Ausbildungsgang einzubeziehen. Auch das hatte Auswirkungen auf den inhaltlichen Umfang der Projektarbeit.

Ankunft am Washington Dulles Airport im November 2021 kurz nach Aufhebundes travel bans

Umweltschutz sowie soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit sind für das Handwerk wichtige Themen. Welche Rolle spielen die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Projekt?

Handwerk an sich ist durch seinen Fokus auf Einzelanfertigung, Kleinserie, Reparatur und Wartung per definitionem nachhaltig. In diesem Projekt lag kein spezieller Fokus auf diesen Themen. Allerdings deutet sich vor allem im Bereich Fleischerei eine verstärkte Nachhaltigkeit durch die verbesserte Ausnutzung der Tiere durch neue Fleischzuschnitte (cuts) an.

Vertiefter Fachunterricht Fleischzerlegung unter Teilnahme einer Ausbilderin des WSCC; Bild: HWK Südthüringen
Vertiefter Fachunterricht Fleischzerlegung unter Teilnahme einer Ausbilderin des WSCC; Bild: HWK Südthüringen

Wie könnte sich das aktuelle Projekt weiterentwickeln und wie könnte die Zusammenarbeit zukünftig gestaltet werden?

Während der Projektlaufzeit ist es gelungen, eine nachhaltige Bildungspartnerschaft aufzubauen. So wurde die Idee für das kulinarische Praktikumsprogramm in Thüringen im Laufe des Projekts geboren. Weitere Nachfolgeprojekte sind in Planung.

Die Gruppe vor der historischen Wartburg in Eisenach. Foto: HWK Südthüringen
Die Gruppe vor der historischen Wartburg in Eisenach. Foto: HWK Südthüringen

Welche Interessen hat Ihre Organisation an dieser Zusammenarbeit? Welchen Nutzen ziehen Sie daraus?

Das Bildungszentrum in Rohr konnte sein Kursangebot um einen Barbecue-Kurs für die Fleischer erweitern. So kann jetzt auch in Südthüringen ein Barbecue im US-amerikanischen Stile genossen werden. 

Welche Erfahrungen haben Sie im Projekt mit den SCIVET-Instrumenten gemacht?

Die SCIVET-Instrumente stellen eine gute Struktur für den Bildungsexport im Handwerk zur Verfügung. Wir benutzen die SCIVET-Instrumente sowohl zum Training von neuen Kollegen im Bildungsexport als auch zur Qualitätskontrolle unserer eigenen Arbeit.

Astrid Friedrich, Referatsleiterin Internationales in der HWK Südthüringen; Bild: HWK Südthüringen
Astrid Friedrich, Referatsleiterin Internationales in der HWK Südthüringen; Bild: HWK Südthüringen
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