Dieses Interview mit Dirk Schäfermeyer vom Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen wurde schriftlich im April 2025 geführt.
Berufliche Bildung ist ein wirksames Instrument gegen Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel und auch eine wichtige Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben. Welche Bedeutung haben das Augenoptiker-Handwerk und handwerkliche Berufsbildung im allgemeinen in Italien?
In Italien ist das Augenoptiker-Handwerk traditionell stark in kleineren, oft familiengeführten Betrieben verankert. Die handwerkliche Berufsbildung besitzt insgesamt einen geringeren Stellenwert als in Deutschland, da das italienische Ausbildungssystem eher schulisch geprägt ist. Dennoch gewinnt das duale Prinzip zunehmend an Bedeutung, insbesondere im Rahmen internationaler Kooperationen, da es als effektives Mittel gegen Jugendarbeitslosigkeit und Fachkräftemangel wahrgenommen wird. Die Augenoptik nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein, da sie sowohl handwerkliches Können als auch medizinisch-technisches Fachwissen vereint.
Wie ist das Projekt ConnActions, zu dem das Netzwerk der Augenoptiker gehört, strukturiert?
ConnActions ist ein bilaterales Berufsbildungsprojekt unter der Gesamtsteuerung der Deutsch-Italienischen Außenhandelskammer (AHK Italien). Es besteht aus mehreren branchenspezifischen Netzwerken – darunter auch das Netzwerk der Augenoptiker. Die Netzwerke arbeiten eigenverantwortlich an branchenspezifischen Themen, tauschen regelmäßig Ergebnisse und Erfahrungen untereinander aus. Dies geschieht über übergreifende Projektveranstaltungen und moderierte Workshops der AHK. Die AHK übernimmt die Koordination, Qualitätssicherung und Dokumentation des Gesamtprojekts.
Die Netzwerke im Rahmen von ConnAction sind auf gemeinsames Lernen ausgerichtet. Was lernen die deutschen Augenoptiker und Optometristen aus dem Austausch mit den italienischen Berufsgenossen? Wer ist konkret in den Austausch einbezogen? Wie werden diese Erkenntnisse weitergegeben oder genutzt?
Deutsche Augenoptiker und Optometristen erhalten durch den Austausch Einblicke in alternative Ausbildungskonzepte, insbesondere in die schulische Ausbildung und Spezialisierungsmöglichkeiten in Italien. Sie lernen andere Formen der Zusammenarbeit zwischen beruflichen Schulen, Hochschulen und Betrieben kennen.
Am Austausch beteiligt sind insbesondere Ausbilder aus Innungsbetrieben, haupt- und ehrenamtliche Vertreter von Landesinnungen, Fachlehrkräfte, fachwissenschaftliche Vereinigungen, Gewerkschaften sowie Vertreter des Zentralverbands. Die Erkenntnisse fließen über interne Fachveranstaltungen, Arbeitsgruppen und Veröffentlichungen in die Innungsarbeit und die Weiterentwicklung der Ausbildung ein. Auf Ebene des Zentralverbands wird im Berufsbildungsausschuss regelmäßig über die Ergebnisse des Projekts berichtet.
Wie ist das Netzwerk entstanden und welche Ziele verfolgt es?
Das Netzwerk der Augenoptiker innerhalb von ConnActions entstand aus dem Wunsch heraus, internationale Perspektiven in die Berufsbildung einzubringen und von Best-Practice-Beispielen zu lernen. Ziel ist es, die Qualität der Ausbildung zu steigern, Fachkräfte zu sichern und gemeinsame Standards zu diskutieren. Zusätzlich befasst sich das Netzewerk mit Fragen der gegenseitigen Anerkennung beruflicher Bildungsabschlüsse. Gleichzeitig soll das Netzwerk auch zur Imagepflege des Berufs beitragen und junge Menschen für das Berufsfeld begeistern.
Was sind die wichtigsten bisherigen Ergebnisse des bilateralen Austauschs im Rahmen von ConnActions und welche weiteren Ergebnisse planen Sie in der verbleibenden Projektlaufzeit zu erzielen?
Zu den bisherigen Ergebnissen zählen der systematische Vergleich der Ausbildungsstrukturen in beiden Ländern, der Aufbau persönlicher Kontakte zwischen den Berufsbildungsakteuren sowie die Entwicklung gemeinsamer thematischer Schwerpunkte, etwa zur Integration des Themas Gesundheitsvorsorge in der berufliche Bildung. Geplant ist die Dokumentation der Ergebnisse. Darüber hinaus sollen konkrete Empfehlungen zur Optimierung der Ausbildungssysteme in Deutschland und Italien formuliert werden.
Welche Interessen hat der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) an dieser Zusammenarbeit? Welchen Nutzen ziehen Sie daraus?
Der ZVA verfolgt mit seiner Beteiligung das Ziel, die Attraktivität der beruflichen Bildung zu stärken und neue Impulse für die Weiterentwicklung der Ausbildungsinhalte zu gewinnen. Der Austausch mit italienischen Partnern ermöglicht es, internationale Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und eigene Positionen strategisch auszurichten. Langfristig trägt die Zusammenarbeit zur Fachkräftesicherung und Imagepflege des Berufs bei.
Welche Hürden haben Sie im Rahmen der Projektarbeit bereits bewältigt und welchen Herausforderungen sehen Sie sich noch gegenüber?
Zu den bewältigten Hürden zählen Sprachbarrieren, unterschiedliche Erwartungshaltungen und anfängliche Unklarheiten über das Ziel des Projekts. Auch der direkte Vergleich der beruflichen Bildungssysteme stellte eine Herausforderung dar, die überwunden wurde. Aktuell sehen wir eine Herausforderung in der konkreten weiteren Umsetzung von Transfermaßnahmen in den Ausbildungsalltag sowie in der nachhaltigen Sicherung und Verlängerung der Netzwerkarbeit über die Phase der Projektlaufzeit hinaus.
Umweltschutz sowie soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit sind für das Handwerk wichtige Themen. Welche Rolle spielen die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Augenoptiker-Netzwerk im Projekt ConnActions?
Im Netzwerk wurden u. a. umweltfreundliche Materialien, nachhaltige Geschäftsmodelle und regionale Lieferketten thematisiert. Zudem findet ein Austausch darüber statt, wie Nachhaltigkeit stärker in die Ausbildung integriert werden kann – etwa durch Projekte zu nachhaltiger Fassungsproduktion oder Energieeffizienz in Betrieben.
Industrielle Brillenproduktion im norditalienischen Cadore-Tal. Bilder: ZVA
Wie könnte sich das aktuelle Netzwerk weiterentwickeln und wie könnte die Zusammenarbeit zukünftig gestaltet werden?
Das bestehende Netzwerk kann durch die Einbindung weiterer Partner – etwa Fachhochschulen, Hersteller oder internationale Verbände – erweitert werden. Zukünftig könnte die Zusammenarbeit auf konkrete Austauschformate und virtuelle Lernmodule ausgeweitet werden. Denkbar ist ein dauerhafter bilateraler Austausch zur Weiterentwicklung der Berufsbildung in beiden Ländern.
Das Projekt ConnActions ist Teil der bilateralen deutsch-italienischen Berufsbildungszusammenarbeit – auf deutscher Seite unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung – Wie äußert sich das in der Ausgestaltung Ihrer Kooperation mit den italienischen Partnern?
Die Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) stellt sicher, dass das Projekt in die nationale Berufsbildungspolitik eingebettet ist. Dies zeigt sich u. a. in der Qualitätssicherung, der strukturierten Projektplanung und der engen Verzahnung mit bestehenden Initiativen. Die Förderung durch das BMBF schafft zudem eine verlässliche Basis für die Zusammenarbeit mit den italienischen Partnern.