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Codesma: Das europäische Projekt, das einen Online-Kurs zu Bauabfällen entwickelte

Das CODESMA Projekt brachte 5 Partner aus 5 Ländern zusammen, die über weitreichende Expertise in der Berufsbildung der Bauwirtschaft verfügen. Dieses Projekt zielte darauf ab, die berufliche Bildung von Baustellenleitern beim Bau und beim Rückbau zu unterstützen, indem aktuelle Bedarfe unter Berücksichtigung von EU-Prioritäten auf dem Gebiet des Abfallmanagements adressiert wurden.

Frank Bertelmann-Angenendt, Projektmanager der Bildungszentren des Baugewerbes e. V. (BZB), berichtet über die Zusammenarbeit und was im Projekt erreicht wurde.

Bitte stellen Sie das Projekt CODESMA und seine Ergebnisse in wenigen Sätzen vor.

In CODESMA haben wir einen mehrsprachigen Vocational Open Online Course (VOOC) entwickelt, in dem Inhalte zur Abfallwirtschaft auf der Baustelle anschaulich dargestellt werden. Als digitales Werkzeug gibt dieser offene Online-Kurs eine dreiteilige Einführung in die Bereiche Abfälle, Prozesse im Umgang mit diesen Abfällen sowie Technologien. Im Vordergrund steht die effektive Nutzung von Baumaterialien sowie das Management von Baustellenabfällen, noch bevor diese überhaupt entstehen. Die frühzeitige Identifizierung der anfallenden Abfälle soll es den Fachkräften ermöglichen, die als bedenklich geltenden Materialen zu identifizieren, mögliche Gefahren für Mensch und Umwelt aufzudecken und Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um eine nachhaltige Entsorgung zu gewährleisten.

Dieser Kurs steht kostenfrei zur Verfügung und kann von allen Interessierten – vom Auszubildenden bis zur Fachkraft auf der Baustelle genutzt werden Man muss sich für die Nutzung nur registrieren. CODESMA ist wirklich ein umfangreiches Kompendium, das es vorher so für die Zielgruppe überraschenderweise nicht gab. Vor unserem Projekt existierten nur einzelne sehr spezielle Kurse, aber keine solche Gesamtschau. Das Projekt wurde von Oktober 2018 bis Ende 2020 gemeinsam mit Projektpartnern aus Großbritannien, Litauen, Griechenland und Polen durchgeführt und von der Europäischen Union über ERASMUS+ gefördert.

Wer waren die Partner im Projektkonsortium?

Das CODESMA Konsortium besteht aus fünf Organisationen aus fünf Ländern aus unterschiedlichen Bereichen wie der Berufsbildung, der Bauwirtschaft sowie Forschungseinrichtungen.

Wie ist das multilaterale Projekt CODESMA entstanden?

Aus BZB-Sicht ist es aufgrund der Anfrage einer litauischen Kollegin entstanden. Diese hatte mit verschiedenen Partnern in Griechenland und Litauen festgestellt, dass es zum Thema „Umgang mit Bauabfällen“ einen Qualifizierungsbedarf gab. Nach Erkundigungen bei Kollegen in verschiedenen Ländern entstand am Ende eine Partnerschaft aus griechischen, litauischen, polnischen, britischen und deutschen Partnern. Wir kannten uns teilweise aus früheren Projekten, sodass jeder schon mal mit mindestens einem anderen Partner zusammengearbeitet hatte. Und aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass das gut so war, denn sich zu kennen, schafft natürlich auch eine gute Vertrauensgrundlage. Und insbesondere für die Verfestigung der Kooperation mit den Partnern in Litauen und England hatte CODESMA einen großen Wert. Die Partnerzusammenstellung geschah also aufgrund von Empfehlungen – nicht als „Kaltakquise“. 

Der CODESMA VOOC adressiert mit dem Thema „Umgang mit Bauabfällen“ ein wichtiges Umweltthema. Wird dies in allen fünf Partnerländern identisch gehandhabt? Was könnte im schlimmsten Fall passieren, wenn Bauabfälle nicht richtig gehandhabt werden?

Bauabfälle wirken auf Menschen – egal ob in Deutschland oder in Griechenland – gleich toxisch. Die Hauptprobleme liegen hierbei nicht in den bestehenden Regelungen und auch nicht in der Umsetzung der Regelung. Die nationalen Regeln der einzelnen Länder entsprechen den internationalen und den europäischen Regeln.

Das Hauptproblem liegt in der falschen Handhabe bzw. im falschen Umgang. Meiner Wahrnehmung nach ist das Umweltbewusstsein in Deutschland stärker ausgeprägt als beispielsweise in Süd- oder Osteuropa, wo häufig laxer mit Umweltvorschriften umgegangen wird. Das liegt auch an den Kontrollen und an den Folgen etwaiger Kontrollen. Aber das, was in den Bildungssystemen der Länder angeboten wird, ist auf jeden Fall EU-adäquat. Sie können den Leuten beibringen, was Sie wollen, aber wenn die die Bauabfälle dann weiterhin falsch handhaben, dann kann es trotzdem zu einem Personenschaden kommen. Darüber hinaus können bei falscher Handhabung natürlich Umweltschäden entstehen. Die unsachgemäße Entsorgung von Abfällen kann außerdem strafbar sein.

Berufliche Bildung wird in der Europäischen Union auf der Ebene der Mitgliedsstaaten geregelt. Welche Bedeutung hatten die unterschiedlichen Berufsbildungssysteme und für die Entwicklung des Online-Kurses und wie konnte es gelingen, dass dieser in verschieden Ländern einsetzbar ist?

Die Unterschiede in der beruflichen Bildung zwischen den verschiedenen Mitgliedsstaaten hatten innerhalb des Projekts keine große Bedeutung. Wir haben unsere Zielgruppe im Projekt über Kompetenzstufe im Europäischen Qualifikationsrahmen und nicht über den Bildungsabschluss definiert. Dabei kann es natürlich sein, dass das entsprechende Niveau bei uns im dritten Lehrjahr erreicht ist, man in Griechenland aber einen Facharbeiter hat, der gerade mit seiner Ausbildung fertig ist.

Darüber hinaus haben wir in CODESMA länderspezifische Inhalte weitgehend vermieden. Der Grund hierfür ist, dass wir im Projekt ein Produkt erstellt haben, das auf möglichst viele Länder passen soll. Wie bei einem Trichter fließen die Situationen und Erfahrungen aus fünf verschiedenen Ländern in das Projekt hinein. Das Produkt, das dabei entwickelt wird, wird danach wie durch einen umgekehrten Trichter wieder in die Länder hineingestreut. Das heißt, die meisten Ergebnisse sind nicht 1:1 in den Ländern verwendbar. So ist es bei uns auch. CODESMA gibt es zwar in deutscher Sprache in ganz vielen Facetten der Thematik, aber wir können nicht sagen: „So, hier habt ihr CODESMA und jetzt macht mal.“ Wir müssen schauen, dass wir das Setting, die didaktische Einbettung, wieder hinbekommen.

Wie hat das BZB den VOOC (Vocational Open Online Course ) in sein Angebot integriert?

Die Ausbilder am BZB entscheiden, wie sie den VOOC in einer didaktisch sinnvollen Weise einbinden, also beispielsweise an welchen Stellen im Rahmenlehrplan der Ausbildung zum Hochbauer CODESMA als anschauliches und zusammenfassendes Tool verwendet wird. Das kann beispielsweise im Rahmen der sogenannten Margenzeit passieren, also in der Zeit, in der die Unternehmen ihre Auszubildenden freiwillig zu uns ins Bildungszentrum schicken.

Welche politischen Ziele der Europäischen Union hat das Projekt unterstützt?

Es gibt grundsätzlich vier EU-Initiativen, auf die wir uns bezogen haben: Das sind das Protokoll zum Umgang mit Bauschutt bei Bau & Abriss (2016), die Bauen -2020 -Strategie (2012), die Verlautbarung zu Chancen ressourceneffizienten Bauens in der Bauwirtschaft (2014) sowie das Paket zur Kreislaufwirtschaft (2015). Die Umsetzung dieser europäischen Initiativen musste auf der Ebene der Mitgliedstaaten passieren.

Wir haben uns auch gefragt: „Was ist eigentlich aus diesen europäischen Papieren in den einzelnen Mitgliedsstaaten in der Berufsbildung angekommen?“ Hier kann man zusammenfassend feststellen, dass diese natürlich nur sehr indirekt dort angekommen sind. Der Qualifizierungsbedarf, den Bildungszentren adressieren, ergibt sich aus dem Bedarf auf den Baustellen und der bezieht sich auf die geltenden nationalstaatlichen Regeln. Diese Regeln sollten allerdings die europäischen umsetzen.

Welchen Nutzen zieht das BZB aus CODESMA?

Mit CODESMA haben wir zu dem Ziel des BZB beigetragen, zunehmend mehr Inhalte auch digital anzubieten. Dabei ist das digitale Lernen für uns nicht Selbstzweck, sondern soll da angeboten werden, wo es Sinn macht. Nicht alle Inhalte eignen sich für eine digitale Aufbereitung.

Was haben Sie aus der Entwicklung von CODESMA für die digitale Vermittlung von Kompetenzen gelernt? Was würden Sie bei einem künftigen Projekt zur Entwicklung eines online-Angebots wieder genauso und was würden Sie anders machen?

Ich wirke seit 2004 in derartigen Projekten mit. Und was wir dabei immer wieder merken, ist, dass es sich empfiehlt, Schnittstellen zwischen der inhaltlichen Entwicklung und der technischen Umsetzung zu vermeiden. Seinerzeit haben wir Handwerksmeister, die als Dozenten bei uns in der Meisterschule arbeiten zu sogenannten „zertifizierten Telecoaches“ weitergebildet. Sie sind nun nicht nur in der Lage, die Inhalte zu entwickeln, sondern können sie auch technisch umsetzen. Das haben wir auch bei CODESMA genutzt. Dadurch, dass beide Aufgaben bei einer Person liegen, vermeiden wir Wirkungsverluste und können zeitlich besser planen.

Wir können zusammenfassend feststellen, dass der Ansatz, VOOC zu nutzen, gut ist. Bei CODESMA haben wir die Inhalte in Powerpoint erarbeitet. Die Inhalte mussten dann auf die VOOC-Ebene gehoben werden. Die Kompatibilität war nur so bei 80-90%. Die Übertragung von einem zum anderen Tool war also problematisch und kostete Zeit und Ressourcen. Diese Kompatibilitätsprobleme würden wir zukünftig in der Projektplanung berücksichtigen.

Was wir darüber hinaus immer wieder erkennen, ist, dass es bei unserer Zielgruppe im Bereich Bau wichtig ist, wenig Text zu haben und viel mit anderen Medien z.B. Illustrationen, Youtube-Videos oder Audio zu arbeiten.

Was wir in CODESMA gelernt haben, nutzten wir jetzt auch in anderen Projekten, an denen das BZB beteiligt ist:

CODESMA ist jetzt technisch die Grundlage für ein neues Projekt der britischen Kollegen mit dem Titel „Step into BIM“. Dafür wurde die VOOC-Plattform 1:1 übernommen.

Was wir thematisch in CODESMA gemacht haben, ist in weitere Projekte eingeflossen, zum Beispiel die Projekte “Blueprint” und “Green Growth“.

Wer (außer den Projektpartnern) hat Ihnen geholfen, die Ergebnisse von CODESMA bekannt zu machen?

Es gibt zwei maßgebliche externe Multiplikatoren. Der erste ist der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB). Der ZDB hat CODESMA mit getestet und danach unseren VOOC in einem Infoschreiben an Empfänger in ganz Deutschland vorgestellt.

Der zweite große Multiplikator war die „Conference on Project Development“ (CPD), ein Projektentwicklungsnetzwerk auf europäischer Ebene. Dort haben wir das Projekt gemeinsam mit den Projektpartnern aus Litauen und England vorgestellt. Viele der anderen Teilnehmer nutzen CODESMA jetzt und haben es für sich adaptiert und aufgenommen.

Welche Auswirkungen – hinsichtlich der Einschränkungen im Rahmen der Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung – gab es auf das Projekt?

Die Auswirkungen auf die Projektarbeit an sich waren relativ gering. Problematisch war eher der Ausfall unserer persönlichen Arbeitstreffen. Denn das Erarbeiten der Inhalte in europäischen Projekten ist essentiell, konnte am Ende aber über digitale Konferenztechniken aufgefangen werden. Die finalen Abstimmungsprozesse haben aber mehr Zeit beansprucht als ursprünglich geplant, sodass wir das Projekt um drei Monate verlängert haben.

Wie könnte das Projekt weiterentwickelt werden?

Es bietet sich immer an, dass man europäischen Projekte, die ja bereits auf verschiedenen Sprachen vorliegen, in weitere Sprachen übersetzt. Diese Übersetzung wird leider in den seltensten Fällen gemacht. In Europa wären viele Projektergebnisse noch viel verbreiteter, wenn die Übersetzungsarbeit geleistet würde. Meiner Ansicht nach könnte hier mit den relativ geringen Kosten einer Übersetzung ein hoher Nutzen erzielt werden.

Interviewpartner:

Frank Bertelmann-Angenendt,

Projektmanager der Bildungszentren des Baugewerbes e. V. (BZB)

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