SEC -pLus wird im Rahmen der bilateralen Kooperation zwischen dem deutschen und dem lettischen Bildungsministerium durchgeführt. Welche Ziele haben die Ressorts Ihnen für das Projekt mit auf dem Weg gegeben und wie äußert sich die Einbindung in diese Kooperation in der Projektarbeit?
Das Projekt SEC-pLus ist Teil der seit über zehn Jahren bestehenden deutsch-lettischen Bildungszusammenarbeit. Im Zentrum steht dabei nicht die Entwicklung fertiger Produkte für die Bildungsarbeit, sondern das Empowerment der Akteure – also die Stärkung der vorhandenen Strukturen und Kompetenzen.
Die beteiligten Ministerien haben die Projektpartner ausdrücklich ermutigt, ihre Aktivitäten auf die Weiterentwicklung der SECs als handlungsfähige Akteure zu konzentrieren. Es geht darum, dass die Mitglieder der Branchenräte lernen, ihre Verantwortung in der Gestaltung der Berufsbildung aktiv wahrzunehmen und ihre Stimme in bildungspolitische Entscheidungsprozesse einzubringen.
Ein besonderer Fokus liegt auf der Verbesserung der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Akteuren – sowohl innerhalb Lettlands als auch zwischen den deutschen und lettischen Partnern. Themen wie die regionale Fachkräfteprognose, die strategische Ausrichtung der SEC-Arbeit und eine engere Einbindung der Betriebe in die Ausbildung stehen dabei ganz oben auf der Agenda.
Wir möchten die SECs befähigen, in Zukunft selbstbewusst und eigenständig die Modernisierung der Berufsbildung in ihren Branchen mitzugestalten.
SEC-pLus läuft von Juni 2024 bis Mai 2026. Was sind die wichtigsten bisherigen Ergebnisse des Projektes, wie sieht die „Halbzeitbilanz“ aus?
Nach dem ersten Projektjahr zieht das Konsortium eine ausgesprochen positive Zwischenbilanz. Die Kommunikation zwischen den Branchenräten und dem Bildungsministerium ist spürbar intensiver geworden. Themen, die bislang eher isoliert betrachtet wurden, werden nun gemeinsam diskutiert – etwa die Prognose des Fachkräftebedarfs in den Regionen oder die künftige Rolle der SECs in der Modernisierung von Ausbildungsstandards.
Zahlreiche Workshops, Diskussionsrunden und zwei Studienreisen haben stattgefunden. Besonders wertvoll war der Austausch mit deutschen Expertinnen und Experten während der Studienreise nach Düsseldorf und Südthüringen, wo die lettischen Partner Einblicke in die Struktur der dualen Berufsbildung, die Ordnungsarbeit des BIBB und innovative Bildungsstätten wie die „Lehrfabrik Möbelindustrie“ erhielten.
Auch auf lettischer Seite herrscht große Aktivität: Die SECs der drei beteiligten Branchen – Holzindustrie, Metallverarbeitung, Maschinenbau und Landwirtschaft – arbeiten eng zusammen, besuchen gegenseitig ihre Sitzungen und tauschen sich regelmäßig über Herausforderungen und Lösungsansätze aus. Diese neue Kultur der Zusammenarbeit ist eine der zentralen Errungenschaften des Projekts bisher.
Welche Hürden haben Sie im Rahmen der Projektarbeit bereits bewältigt und welchen Herausforderungen sehen Sie sich noch gegenüber?
Wie so oft in der internationalen Zusammenarbeit liegt eine der größten Herausforderungen in den begrenzten zeitlichen Kapazitäten der beteiligten Fachleute. Viele Mitglieder der SECs führen eigene Betriebe oder sind in anderen Projekten engagiert. Dennoch ist das Engagement enorm. Wir erleben eine beeindruckende Bereitschaft, sich einzubringen und voneinander zu lernen.
Eine zentrale Herausforderung für die kommenden Monate wird darin bestehen, die Kultur der Zusammenarbeit langfristig zu sichern. Das Projektteam möchte sicherstellen, dass die gewachsenen Strukturen und Kontakte auch nach Projektende bestehen bleiben – etwa in Form von Fachnetzwerken, regelmäßigen Dialogpartnerschaften oder gemeinsamen Fachveranstaltungen.
Umweltschutz sowie soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit sind für das Handwerk wichtige Themen. Welche Rolle spielen die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Projekt?
Umweltbewusstsein, Ressourceneffizienz und soziale Verantwortung spielen besonders in der Landwirtschaft, aber auch in den Holzindustrie, Metallverarbeitung und Maschinenbau eine zunehmend wichtige Rolle.
Die Diskussion um „grüne und digitale Transformation“ zieht sich durch viele Aktivitäten des Projekts. In den Workshops wird auch darüber diskutiert wie die Ausbildungsinhalte an neue technologische und ökologische Anforderungen angepasst werden können. Ziel ist es, Nachhaltigkeit nicht nur als Zusatzthema, sondern als festen Bestandteil der Berufsbildung zu verankern – sowohl in Lehrplänen als auch in der Ausbildungspraxis.
Darüber hinaus trägt die aktive Einbindung der Betriebe und Sozialpartner in die Gestaltung der Berufsbildung entscheidend zur sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit bei. Wenn Unternehmen, Verbände und Arbeitnehmervertretungen gemeinsam an Ausbildungsinhalten und Qualifikationsstandards arbeiten, entstehen passgenaue, zukunftsfähige Kompetenzen, die langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe sichern. Die Beteiligung stärkt die Verantwortung der Unternehmen für die eigene Fachkräftesicherung und bindet sie stärker in gesellschaftliche Entwicklungsprozesse ein. Gleichzeitig führt dieser Dialog dazu, dass Aus- und Weiterbildung inklusiver, innovativer und resilienter gegenüber wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen werden.
Wer sind Ihre maßgeblichen Unterstützer im Projekt?
Getragen wird SEC-pLus von einer starken Partnerschaft:
- Lettisches Bildungsministerium (IZM) und Arbeitgeberverband LDDK als zentrale nationale Akteure,
- Deutsch-Baltische Handelskammer (AHK) als Projektpartner vor Ort,
- Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk (ZWH) als deutsche Fachpartnerin,
- sowie die Handwerkskammer Südthüringen, die mit praxisnahen Beiträgen, Studienreisen und Fachworkshops wichtige Impulse liefert.
Unterstützt wird das Projekt zudem durch das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die die bilaterale Berufsbildungskooperation federführend gestalten.
Wie könnte sich das aktuelle Projekt weiterentwickeln und wie könnte die Zusammenarbeit zukünftig gestaltet werden?
Die lettische Seite zeigt großes Interesse an Themen, die über die klassische Berufsbildung hinausgehen – etwa Berufemarketing und Nachwuchsförderung in MINT-Berufen.
Auch die stärkere Einbindung von Betrieben in die Berufsorientierung und die regionale Fachkräftesicherung bleibt ein wichtiges Zukunftsthema. Hier sieht das Projekt großes Potenzial für zukünftige Kooperationen.
Lettland bringt eine hohe Dynamik und Offenheit mit – viele Ideen, wie man Berufsbildung neu denken kann. Das ist eine großartige Grundlage für langfristige Zusammenarbeit.
Welche Interessen hat Ihre Organisation, die ZWH, an dieser Zusammenarbeit? Welchen Nutzen ziehen Sie daraus?
Für die ZWH bietet SEC-pLus nicht nur die Möglichkeit, ihr Know-how in die internationale Zusammenarbeit einzubringen, sondern auch selbst neue Perspektiven zu gewinnen. Der Austausch mit den lettischen Partnern bereichert die Arbeit der Organisation, insbesondere in Fragen der Governance, der Ordnungsarbeit und der Modernisierung von Ausbildungsstandards.
Wir verstehen internationale Zusammenarbeit als Lernprozess in beide Richtungen. SEC-pLus zeigt, dass europäische Partnerschaft bedeutet, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen – für starke Berufsbildung, für Fachkräftesicherung und für nachhaltiges Wirtschaften.